Hessen braucht ein Konzept für den Unterricht unter Pandemiebedingungen!
Wie sollte es anders sein? Auf der letzten Alsfelder Kreisvorstandssitzung der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft standen im Zentrum der Tagesordnung der Austausch und die Beratung zum Thema Schule in der Corona-Pandemie. Die Mitglieder der GEW und des Kreisvorstands stehen mit Lehrern:innen, Schüler:innen und Eltern an verschiedenen Schulen im Kreis, mit Schulleitungen und durch ihre Mitglieder im Gesamtpersonalrat der Lehrer und Lehrerinnen mit dem Staatlichen Schulamt in Kontakt. Wie Kreisgeschäftsführer Ralf Fei mitteilt, wurde durch die Rückmeldung der Vorstandsmitglieder deutlich, dass alle Beteiligte an Schule am Rande der Belastungsgrenze arbeiten.
Zahlreiche Lehrkräfte klagten darüber, dass der Umgang mit Corona-Fällen an den verschiedenen Schulen oftmals nicht einheitlich, nicht transparent bzw. nicht nachvollziehbar ist. Wenn für Kollegen:innen einer Schule verschiedene Gesundheitsämter zuständig seien, werde es besonders unübersichtlich.
Allen Mitgliedern der Schulgemeinden sei klar, dass wir uns in einer ganz außergewöhnlichen Lage befinden und alle im Bildungssektor improvisieren und gleichzeitig mit Bedacht vorgehen müssten. Dennoch forderten die in der GEW organisierten Lehrkräfte, dass die Kultusverwaltung klarer auf die Vorgaben des Robert-Koch-Instituts achtet und die Interessensvertretung der Lehrerschaft stärker einbindet. Es sei nicht hinnehmbar, dass trotz der hohen Inzidenzzahlen in zahlreichen Klassen auch im Vogelsberg ohne Abstandsgebot unterrichtet werde. Niemand wolle den Schulbetrieb in Präsenz wieder wie im Frühjahr geschehen einstellen. Wie dies zu verhindern sei, werde jedoch unterschiedlich beurteilt.
Besonders deutlich wurde wie unterschiedlich die Situationen an den einzelnen Schulen im Vogelsbergkreis aufgrund der räumlichen Gegebenheiten sind. Während an der einen Schule die Klassenräume dicht besetzt sind, haben andere Schulen vertretbare Klassengrößen oder hinreichend Räume, um Klassen aufzuteilen. Eine Grundschule sieht sich z.B. in der glücklichen Lage, während der Lüftungspause mit den Schülern:innen in einen anderen Raum zu wechseln. In anderen Schulen sitzen Schüler bei Klassenarbeiten unter offenen Fenstern und sind Straßenlärm und Kälte ausgesetzt. Während einige Räume sich leicht lüften lassen, sind andere kaum hinreichend zu lüften.
Durchgehend berichten die Lehrkräfte von der überwiegend hohen Disziplin, die Schüler:innen in allen Schulformen bezüglich des Umgangs mit Vorsichtsmaßnahmen an den Tag legen. Das kann allerdings nicht darüber hinwegtäuschen, dass Maskenpflicht und Lüftungskonzepte den Unterrichtsverlauf empfindlich belasten. Vieles, was guten Unterricht ausmache, sei unter diesen Umständen nicht möglich. Niemand, der sich mit Bildungsfragen auskenne, könne ernsthaft bezweifeln, dass die derzeitige Unterrichtssituation trotz aller aufrichtigen Bemühungen erhebliche Bildungsdefizite produziere. Es stelle sich daher die Frage, ob Wechselmodelle mit all ihren Problemen nicht letztlich die bessere Alternative zum derzeitigen Präsenzunterricht wären, der alles andere als „normaler Unterricht“ sei. An den Schulen gäbe es schon zahlreiche Ideen, wie solche Wechselmodell e umgesetzt werden könnten.
Seitens der GEW Hessen laufe derzeit eine Online-Petition, der sich schon über 10 000 Unterstützer angeschlossen haben. Hier wird der hessische Kultusminister aufgefordert, endlich seiner Verantwortung nachzukommen, für die entsprechenden Bedingungen in den Schulen zu sorgen, um alle vor möglichen Infektionen zu schützen und damit Schulschließungen zu vermeiden. So sei unter anderem ein Wechsel von Distanzunterricht und Präsenzunterricht in vielen Schulen die Voraussetzung dafür, dass auch im Unterricht die Abstandsregeln eingehalten werden können. Das Robert-Koch-Institut fordere ab einer Inzidenz von 50 nicht nur die Maskenpflicht im Unterricht, sondern auch „die Verkleinerung der Klassen durch Teilung oder Wechselunterricht, so dass der Mindestabstand von 1,5 m eingehalten werden kann“. In der Petition der Bildungsgewerkschaft heißt es weiter:
Die Berufstätigkeit der Eltern muss bei dem Wechselmodell bzw. komplettem Distanzunterricht berücksichtigt werden. Die Landesregierung muss für notwendigen Ausgleich und eine entsprechende Betreuungsmöglichkeit sorgen.
Die Schulen brauchen dringend mehr Personal. Es müssen weitere TV-H-Kräfte eingestellt werden. Hierfür sind die Mittel in Höhe von 150 Millionen Euro aus dem Corona-Sondervermögen zu verwenden.
Die technische Ausstattung mit qualitativ hochwertigen Lüftungsgeräten muss jetzt erfolgen. Die zugesagten 10 Millionen Euro der Landesregierung sind ein erster Schritt. Sie müssen schnell an die Schulträger gegeben werden, damit die Schulen die Lüftungsgeräte erhalten.
Der Ausbau der digitalen Infrastruktur muss erheblich beschleunigt werden. Die digitalen Endgeräte für Schülerinnen, Schüler und Lehrkräfte müssen beschafft und jetzt ausgegeben werden.
Gerade was die Ausstattung mit digitalen Endgeräten und Glasfaserverlegung angehe, sähen viele Lehrkräfte im Vogelsberg noch großen Handlungsbedarf.
Dass der sonst von der Landesregierung vernachlässigte Vogelsbergkreis grade jetzt bis in das Heute-Journal von Kultusminister Lorz als Paradebeispiel für die Möglichkeit eines uneingeschränkten Schulbetriebs angeführt wird, ändere nichts daran, dass auch bei der hier vorliegenden Inzidenzzahl die Missachtung des Abstandsgebots ein Spiel mit dem Feuer, sprich mit der Gesundheit der Betroffenen und den Schulschließungen, sei. Das Ziel müsse es sein, eine vollständige Schließung der Schulen wie im Frühjahr zu vermeiden.
GEW Geschäftsführer Fei weist darauf hin, dass bis zum 27.11.2020 noch die Petition unterstützen kann.
OpenPetition – Unterricht unter Pandemiebedingungen